In unentdeckten Gefilden – Saudi-Arabien

 

 Wir verlassen Jordanien mit gemischten Gefühlen und fahren gen ein neues Abenteuer mit gemischten Gefühlen – Saudi-Arabien soll es sein. Viel wissen wir nicht über dieses Land. Außer dass dort reiche verhüllte Menschen wohnen, die mit fossilen Rohstoffen ihren Wohlstand finanzieren. Und dass sich dieses Land erst 2018 dem internationalen Tourismus geöffnet hat. Und dass seit einigen Jahren die Frauen mehr und mehr Rechte bekommen.

 

 Nun… wie werden die Saudis auf uns reagieren? Vorallem auf Jule, eine unverhüllte Frau, die noch dazu mit dem Fahrrad durch die Gegend fährt.

 

 

Der Grenzübertritt verläuft auf saudischer Seite ziemlich reibungslos, alle sind nett, keiner kann englisch und die verzweifelte Suche des Zollbeamten nach Alkohol in unseren Taschen bleibt erfolglos und so werden die Tore in diese unbekannte Welt für uns geöffnet. Vorher müssen natürlich noch einige Selfies gemacht werden und wir für verrückt erklärt werden. Na gut, wenn’s weiter nichts ist.

 

 

Ob da tatsächlich "Willkommen in Saudi-Arabien" steht??

 

 

Die ersten Tage verlaufen nicht ganz so reibungslos. Wir fahren auf einer Straße entlang des Meeres, die nach circa 60 km aufgrund von militärischen Aktivitäten gesperrt ist. Unsere Luftpumpe gibt den Geist auf und irgendwie ist es seltsam, dass da ganz langsam ein Auto hinter uns herfährt… Aber für jedes scheinbare Problemchen sind schnell Lösungen und Antworten gefunden. Um Luft auf unsere Reifen zu bekommen, muss man einfach die Polizei rufen, das Militär fährt uns kurzerhand zum Ausgangspunkt zurück und unser Verfolger ist eine zivile Polizei, die natürlich nur zu unserem Schutz da ist….

 

 

 

 

Wir fahren also weiter durch die Berge zurück ans Meer, dürfen einem BBQ mit internationalem Publikum (viele Amis, einige Ägypter, ein Saudi) beiwohnen und dabei selbstgemachten Wein verkosten (der uns am nächsten Tag irgendwie gar nicht gut bekommt…), radeln in atemberaubende Canyons, durch wüstige Steppenlandschaften, zu dem Touristenhotspot des Landes und nochmal zurück ans Meer. Zwischendrin liegen Weihnachten und Silvester, zwei Feierlichkeiten, die in Saudi nicht begangen werden und so passen wir uns an, wollen zu Weihnachten an keinem anderen Ort sein und schlafen in das neue Jahr hinein. Wir vermissen nichts und erfreuen uns des Lebens. Die zivile Polizei ist auch verschwunden und wir fühlen uns frei und sorglos. Zu unserem neunmonatigen Raderlebnis gönnen wir uns eine Schnorcheltour im Roten Meer und sehen neben dieser unglaublichen Unterwasserwelt auch noch Delfine. Man man man – wir haben einen Lauf.

 

 

 

 

Nach dieser kleinen Pause verabschieden wir uns vom Roten Meer und fahren landeinwärts in Richtung Medina. Wir nehmen die Hauptverkehrsroute, da wir etwas ängstlich sind alsbald im Sand festzustecken, wenn wir die kleineren Straßen befahren. Und hier werden wir von einem Polizisten angehalten. Mit Händen und Füßen verständigen wir uns irgendwie bis er begreift, dass wir einfache Touristen mit entsprechendem Visum sind… „Daqiqa“ heißt es dann – übersetzt bedeutet das wohl „eine Minute“, in Wirklichkeit kann sich die Minute auch bis zu einer Stunde ausdehnen. Es wird telefoniert und gestikuliert und zack – da ist sie wieder: die Eskorte. Teilweise sind es blinkende Polizeiwagen, teilweise zivile Fahrzeuge, teilweise bis zu drei Autos… Das Gefühl der Freiheit ist ein wenig dahin… Diskussionen um unsere Wahl des Zeltplatzes und der Mittagsrast beginnen. Auch unsere Routenwahl gefällt nicht so sehr, aber die meisten Auseinandersetzungen können wir noch für uns entscheiden.

 

 

Nach Medina, eine heilige Stadt des Islam und eigentlich für Nicht-Muslime nicht zugänglich, wollen wir nur, um einen Fahrradladen zu besuchen und uns eine neue Prepaidkarte zu besorgen. Und wie es manchmal mit Verständigungsschwierigkeiten so ist, führt uns die Polizei direkt in den heiligen Bezirk vor die heilige Moschee, wo ihr Prophet begraben liegt… Ha, wenn wir schon mal da sind, genießen wir es auch.

 

Durch einen Gastgeber der Plattform Couchsurfing lernen wir ein paar Einheimische kennen und dürfen das Nachtleben der Saudis hautnah erfahren – Kaffee trinken bis einer vom Stuhl kippt. Nicht ganz unser Ding, aber nett anzusehen. Vorallem da man auch viele Frauen sieht, wenige sogar unverhüllt. Und auch gemischte Gruppen (Männer und Frauen zusammen…in der Öffentlichkeit…Skandal) gibt es. Wir sind erstaunt und auch etwas erfreut.

 

 

 

 

Die Weiterreise von Medina nach Qassim – der anscheinend ursprünglichsten und landwirtschaftlichsten Region Saudis – wird uns durch die polizeiliche Eskorte nicht leicht gemacht. Wir beugen uns dem Willen der Polizei und fahren auf dem neuen großen Highway in Richtung Qassim. An sich unspektakuläre 500 km durch Gesteinswüste mit viel Verkehr. Ein Sandsturm erwischt uns und ein gewittriges Unwetter zieht knapp an uns vorbei – zum Glück, denn Unterstellmöglichkeiten auf dieser Straße sind rar. Und nach zwei stürmigen Tagen zeigt sich die Sonne wieder und eine Wüste unter Wasser – wow! Ein ziemlich schönes Erlebnis.

 

 

In Qassim kommen wir nach 5 Tagen an, dank eines ewigen Rückenwindes! Wir fanden in der Region einen Gastgeber wiederum über Plattform Couchsurfing. Dem gefiel es allerdings gar nicht, dass wir Polizeischutz genossen und komplementierte uns höflich hinaus…

 

Angesäuert fahren wir weiter. Wir kürzen die Route und lassen die Region schneller als geplant hinter uns. Jule hat es satt, sie will weg. Diese 24 Stunden Beobachtung ist ein sehr unschönes Gefühl… Und wenn man dann noch Einladungen von den Einheimischen bekommt und die Polizei sogar dort neben einen sitzt, ist irgendwann der Spaß vorbei…. Uwe sieht das alles nicht ganz so verbissen und erfreut sich an den Kamelen und dem guten Essen. Auch wird uns, ganz zu Uwes Freude, oft ein Löffel zum Essen angeboten. Dieses Gegesse mit der Hand ist irgendwie… anders und geht nicht schnell genug.

 

 

 

 

Und so kommen wir alsbald in Riad, der Hauptstadt, an. Und es dauert nicht lange und wir schütteln unsere Verfolger (die uns mittlerweile in drei Autos verfolgen) in dem turbulenten Stadtverkehr ab. Eine Stadt mit über 7,5 Mio. Einwohner und fast keinem öffentlichen Nahverkehrssystem – aber wir schlagen uns unfallfrei durch, dank antrainiertem aggressiven Fahrverhalten unsererseits… Die Vision 2030 sieht vor die Einwohnerzahl auf 17,2 Mio. zu erhöhen – woher die ganzen Menschen für die Vision kommen sollen, ist uns ein Rätsel. Ebenjene Vision sorgt derzeit auch für einen Umbau von der Hälfte der Küstenregion. NEOM – eine grüne Megacity – ist nur ein Projekt von vielen. Wir sind gespannt und werden die Entwicklung dieses Landes mit seinen Projekten auch in Zukunft interessiert verfolgen.

 

In Riad bleiben wir vier Tage bei unserem Gastgeber Anas und kommen einer Einladung nach der anderen nach. Vielen Menschen, denen wir auf unserem Weg begegnet sind, versprachen wir uns zu melden, wenn wir ankommen. Gesagt, getan und so verleben wir die Tage mit schönen Begegnungen, Führungen und Einladungen.

 

 

 

 

So, und unser Fazit? Auch wenn wir (vorallem Jule) es am Ende ein wenig satt hatten, ist es nicht ausgeschlossen, dass wir wiederkehren werden. Die Menschen sind gut, in dem Land gibt es noch so viel zu entdecken, der Himmel ist schön und das Wetter ist in den deutschen Wintermonaten doch recht angenehm. Aber nächstes mal wohl nicht mit dem Radl, denn Weite bekommt hier eine völlig neue Bedeutung.

 

 

 

 

Mittlerweile sind wir im Oman und legen eine dringend notwendige kleine Pause ein. Wie wir hierherkommen und warum jeder mal eine Pause braucht, erfahrt ihr sehr bald!

 

Freut euch!

 

 

Apropos der Himmel ist schön...

Kommentare: 2
  • #2

    Stephie (Mittwoch, 16 März 2022 20:20)

    Achso ein Wort noch zu den Kamelbildern… mega ���

  • #1

    Stephie (Mittwoch, 16 März 2022 20:19)

    Juhu, na verhungert seid ihr nicht in dem Land � schön zu sehen, dass ihr wohlbehalten hindurchgeleitet wurdet. Das hätten die sich mit dem internationalen Tourismus überlegen sollen, wenn man den ganzen Müll sieht � Gute Weiterreise und bis bald �